Interview mit Erich Schmeckenbecher
In der Reihe „wortgewaltig“ ist am Mittwoch, 20. März, 20 Uhr der Liedermacher, Sänger, Komponist und Musiker Erich Schmeckenbecher zu Gast in der Aalener Stadthalle. Seine Lieder handeln von Toleranz, Menschlichkeit, Gerechtigkeit, Freiheit und intakter Umwelt. Damit steht er in der Tradition C.F.D. Schubarts.
1. Herr Schmeckenbecher, Sie bezeichnen sich als Romantiker. Und treten in der Reihe wortgewaltig auf, die sich auf C.F. D. Schubart bezieht. Wie passt das zusammen?
Schubart ist in meinen Augen immer ein Romantiker gewesen.
Es kommt natürlich darauf an, was man unter Romantik verstehen will. Romantik ist heute reduziert auf den Begriff Idylle, Schönheit etc. Also auf einzelne, eher unbedeutende Facetten des Begriffs. Er wurde „dienstbar“ gemacht, wonach man einzelne Elemente, die man aus dem Zusammenhang riß zu einer Art begleitenden „fremden Kraft“ machte. A-politisches Verhalten etwa, die Flucht vor der Wirklichkeit etc....
Das ist aber keine ROMANTIK! Nie gewesen!
Im Wesen ist Romantik eine historische Kategorie und eine daraus resultierende Haltung des Geistes. Der ist heute zur puren UNTERHALTUNG verkommen, wobei die Betonung immer mehr auf UNTER als auf HALTUNG liegt.
Romantik war immer die Sehnsucht nach einer besseren Welt, bis hin zu Revolutionen. Sie entsteht aus einem Gefühl der Enge in einer Realität, aus der man heraus muss (Hunger) oder will (Unterdrückung). Daraus entsteht eine Gedankenwelt, die mehr will, als sich mit dem Bestehenden einfach abzufinden. Liedermacher im klassischen Sinne waren in diesem Sinne immer Romantiker. International. Mischten sich ein.
2. Was verbindet Sie mit Schubart? Wo sind Verbindungen zwischen Schmeckenbecher und Schubart?
Schubart ist für mich einer der Urliedermacher im besten Sinne. Sand im Getriebe derer, die sich gerne einen schlanken Fuß machen. Einer der in seinen Liedern und Texten immer nach Wahrheit suchte und eben nicht danach trachtete zu schreiben was unbedingt gehört werden will. Das hat ihm damals noch lange Jahre im Gefängnis eingebracht. Ausgrenzung ist heute differenzierter, subtiler. Man landet nicht mehr so schnell im Gefängnis. Man passt einfach nicht „ins Format“ und wird weg geschwiegen. Im Falle Böhmermann hätte das allerdings auch anders ausgehen können.
Die Satire war nicht Schubarts Stärke. Das Lachen knapp. Es gab auch damals nicht viel zu Lachen. Hunger, Unrecht, Unterdrückung, oder zwangsrekrutierte Soldaten wurden einfach nach Amerika verkauft etc...
Auch heute gibt es riesige Probleme. Aber „Lachen“ ist angesagt und wirkt als wolle man die Probleme einfach wegwitzeln. Besonders in den Medien wirkt sie oft hohl, dekadent, spießig, brunzdumm. Hat aber einen riesigen Marktwert. Denn wer lacht nicht gerne? Aber das Leben ist mehr als sich nur den Beutel zu füllen.
3. Ihre Fans assoziieren mit dem Namen Schmeckenbecher "Zupfgeigenhansel". Erklären Sie den jüngeren Musikfans was es damit auf sich hat.
Nun, Zupfgeigenhansl war der Titel eines um die Jahrhundertwende 19./20. Jahrhunderts in Heidelberg erschienenen Liederbuches der damals aufkommenden Wandervogelbewegung.
Die Zupfgeige ist schlicht das altdeutsche Wort für Gitarre. Man sang damals ausschließlich unplugged. Mit Stimme und Gitarre, oder was sonst noch Töne von sich gab und das man beim Wandern noch tragen konnte. Man wollte der Natur nahe sein und versuchte der immer weiter um sich greifenden, damals schon vor nichts Rücksicht nehmenden Industrialisierung eine alternative Lebensform entgegen zu setzen. Eine romantische Bewegung.
Als ZUPFGEIGENHANSEL haben wir Anfang der 70er l. Jhdt. ganz bewusst diesen Faden aufgegriffen. Nachdem im Nachkriegsdeutschland wieder die Klänge der überall in vielen Institutionen auftauchenden Alt-Nazis, samt deren Gedankengut, wieder aufblühten, war es angebracht, Volkslieder zu entstauben, ihnen ihren wahren Charakter wieder zu geben. Das war unser Anliegen. Wir begriffen Volkslieder als den „Blues der Deutschen“, die im Wesentlichen aus Leid und Klagen, geboren aus Hungersnöten, Kriegen und Verfolgung bestanden. Ein oft mit einfachen Worten bekundetes „Trotz alledem“! Sie bezeugen den Willen sich nicht unterkriegen zu lassen.
Volkslied und Volksleid sind bekanntlich Geschwister. Und beim mühseligen Ausgraben der Lieder in den unterschiedlichsten Bibliotheken dieses Landes begegneten wir natürlich auch Texten von Schubart.
Auch heute gibt es sie wieder, die Jugendlichen, wie um 1900, die nicht nur abgreifen wollen, was die Welt so zu bieten hat. Sie sorgen sich um deren Erhalt und werden aktiv. Mit Greta Thunberg (fridays for future) und den Schülern der neuen Umweltbewegung keimt ein Hoffnungsschimmer. Jugendliche, die sich mit dem Istzustand nicht mehr zufrieden geben und sich dagegen wehren, dass die Probleme verdünnt, vertuscht oder populistisch weggelacht werden. Echte Romantik, die uns weiter bringt.
4. Welche Themen greifen Sie in dem Programm "Der Vogel Sehnsucht" auf?
All das hier Gesagte spielt natürlich in meinen Konzert eine Rolle. Immer schon.
Ich betrachte mich ebenso als Sand im Getriebe der Phantasielosen. Ganz in der Tradition Schubarts. Dabei darf auch gelacht werden, denn es gibt heute leider auch viel zu viel Lächerliches.
5. Was würde Schubart, heute, 280 Jahre nach seiner Geburt, in seinen Texten und seiner Musik aufgreifen?
Vermutlich dasselbe wie damals plus Klimawandelproblematik, neben Themen wie Freiheit, Migration, Gerechtigkeit, Dekadenz, Bigotterie etc.
Nur halt mit anderen Worten.
6. Was sagen Sie zum Schubart-Literaturpreis 2019 für Daniel Kehlmann?
Eine sehr gute Wahl!
Karten sind im Vorverkauf erhältlich bei der Tourist-Information, Telefon 07361-522358 oder unter www.reservix.de.